Auf Augenhöhe Interview mit Julia Brüggemann

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Julia Brüggemann, Sie sind wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Gesundheit in Bochum, Teil des Projektteams und Ansprechpartnerin für alle Co-Forschenden. Wie würden Sie die Zusammenarbeit beschreiben und was haben Sie daraus mitgenommen?

Im Projektteam war uns sehr wichtig, auf Augenhöhe miteinander zu arbeiten. Dabei haben wir schnell festgestellt, dass wir die gleichen Ziele und Werte vertreten. Das war eine gute Basis für die Zusammenarbeit. Trotzdem hätte ich nie damit gerechnet, wie groß das Forschungsteam geworden ist und wie eng wir zusammengewachsen sind. Wir haben uns einfach aufeinander eingelassen und sind mit dem Flow der Gruppe gegangen.

Dabei hatte ich vor dem Projekt keinerlei Berührungspunkte mit Menschen mit Beeinträchtigung und war daher in Sorge, ob ich allen gerecht werden kann. Deshalb war ich sehr froh, direkt im Wittekindshof hospitieren zu können, um diese Ängste direkt loszuwerden. Vor allem hatte ich aber keine Vorstellung davon, wie viel Potenzial und verstecktes Wissen in den Menschen steckt. Dieses Wissen brauchen wir nicht nur in der Forschung.

Warum ist dieses Wissen für die Forschung so wichtig und wie könnte eine Inklusive Hochschule Ihrer Meinung nach aussehen?

Wenn dieses Wissen nicht in die Forschung einfließt, bleiben die Ergebnisse unvollständig. Und am Ende geben wir Empfehlungen heraus, die an den Bedürfnissen und Bedarfen der Menschen vorbeigehen. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass wir gemeinsam die Forschung gestalten sollten.

Die inklusive Hochschule verfolgt das Ziel, die Studienbedingungen von Studierenden mit Beeinträchtigung zu verbessern. Dies ist zwar wichtig, jedoch selektiert unser Schulsystem oft viele Personen aus, bevor sie überhaupt die Hochschule erreichen und erst recht bevor sie später Lehrende werden können. Dies ist ungerecht. Unsere Studierenden werden sich später oft in verschiedenen Bereichen des Gesundheitssektors wiederfinden, etwa in der Logopädie oder als angehende Diversity- und Inklusiv-Expertinnen und -Experten in Kommunen. Daher ist es sinnvoll, wenn sie offen auf alle Menschen zugehen.

Unser Ziel ist es, nicht nur als Co-Forschende, sondern auch Co-Lehrende in die Veranstaltungen der Hochschule zu gehen.

Welche Rolle kann das „ParStar“-Nachfolgeprojekt spielen, um Menschen mit Beeinträchtigung in die Lehre zu bringen?

Ist es nicht unsere gemeinsame Aufgabe, Barrieren zu überwinden, zu sensibilisieren und das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie vielfältig wir sind und, dass wir daher Entscheidungen gemeinsam treffen sollten, statt über andere zu entscheiden? Das Projekt kann hoffentlich einen Beitrag dazu leisten, mehr Expertinnen und Experten in eigener Sache zu bestärken. Dafür gibt es bereits die Ausbildung zur Bildungsfachkraft, die sich an Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen richtet und meist in Zusammenarbeit mit Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) erfolgt. Die Bildungsfachkräfte sind fester Bestandteil an einigen Hochschulen in Deutschland. Sie sensibilisieren Studierende für Themen wie Barrierefreiheit, Inklusion und Teilhabe.

Wir gehen einen anderen Weg. In unserem Qualitätspakt-Lehre-Projekt, das von der Hochschule aus eigenen Mitteln finanziert wird, möchten wir Lehrveranstaltungen inklusiver gestalten und Räume schaffen, in denen gegenseitiges Kennenlernen und das Teilen von Lebenswelten im Vordergrund stehen. Wir möchten von Beginn an auf Augenhöhe forschen und gestalten. Dies wird ein Raum für Experimente und Freude sein.