Angekommen

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Langsam rollt der dunkelblaue Audi A3 älteren Baujahres auf das Firmengelände von Janus Logistics in Gronau. Frank Tenhündfeld sitzt am Steuer und schaut sich nach einem freien Parkplatz um. Hinten links in der Ecke ist noch etwas frei. Der 27-Jährige setzt den Blinker und manövriert mit einem Zug ordentlich in die Parklücke. Letztes Jahr um diese Zeit ist Frank Tenhündfeld noch mit dem Roller oder dem Fahrrad zur Arbeit gekommen. Doch seit er seinen Führerschein und auch ein eigenes Auto hat, hat sich das geändert. Was heute für Frank Tenhündfeld Normalität geworden ist, war früher nicht denkbar.

Fünf Jahre zurück: Es ist 2018. Frank Tenhündfeld hospitiert im Rahmen eines Projekts der Wittekindshofer Werkstätten in Gronau bei der Firma Engbers. Ziel des Projekts ist es, Menschen mit Beeinträchtigung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) tätig sind, weiter zu qualifizieren, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten und idealerweise auch sozialversicherungspflichtig zu vermitteln. Es gefällt Frank Tenhündfeld so gut beim Gronauer Textilunternehmen, dass er um ein Jahrespraktikum bewirbt, was ihm auch angeboten wird. „Ich wollte den Betrieb und die Abläufe richtig gut kennenlernen“, erinnert sich der junge Mann, der mit einem Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft in Epe lebt.

Unbefristeter Arbeitsvertrag

Und dann, im Dezember 2019: Frank Tenhündfeld unterzeichnet seinen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsvertrag, damals noch bei Engbers. Schon zu diesem Zeitpunkt ist er in der Logistik tätig. Er ist zuständig für Gemeinkostenmaterial (GMK), also alle Dinge, die in den Engbers-Filialen für den Alltag benötigt werden. Die Mitarbeitenden aus den mehr als 300 deutschen und österreichischen Shops bestellen die Produkte, die in Gronau verpackt und verschickt werden, dazu gehören beispielsweise Druckerpapier, Kaffeepulver, Reinigungsmittel und Toilettenpapier. Im Januar 2020 wird dann Janus Logistics gegründet. Das Unternehmen mit mehr als 8700 Quadratmetern Lagerfläche und weiteren 640 Quadratmetern Bürofläche übernimmt seit Juli 2020 sämtliche logistische und logistiknahe Prozesse für Engbers. Rund 100 Mitarbeitende sind für Janus tätig, einer von ihnen ist nun auch Frank Tenhündfeld, der weiterhin für das Gemeinkostenmaterial zuständig ist, ebenso hilft er beim Versand von Kleidung an die Filialen und verpackt sogenannte Hängeware, wie Mäntel und Jackets.

Sein Chef war und bleibt Frank Brandt, der damals mit einer Kollegin aus der Personalabteilung zum Tag der offenen Tür der Wittekindshofer Werkstätten kam. „So kam das Ganze ins Rollen und seitdem bieten wir Menschen aus der WfbM regelmäßig Praktikumsplätze oder ausgelagerte Arbeitsplätze an. Drei Menschen haben wir bereits übernommen, eventuell sind es bald vier“, sagt der Janus-Geschäftsführer. „Ich bin unglaublich stolz auf die Jungs, aber auch auf das gesamte Team, das sich so offen gezeigt und die Jungs ohne Vorurteile angenommen hat. Sie sind super integriert, einfach Teil des Teams und haben keinen ‚Behinderten-Stempel‘.“ Das kann Frank Tenhündfeld bestätigen: „Ich bin bei Janus angekommen und kann mir vorstellen, hier bis zur Rente zu arbeiten.“

Job stärkt Selbstbewusstsein

2020, zu Beginn seines festen Arbeitsverhältnisses, waren die Aufregung und Selbstzweifel aber noch groß. „Ich war schüchtern und hatte Angst, dass ich das mit dem Job doch nicht schaffe“, erinnert er sich. Deshalb schlug der Eper das Angebot von Frank Brandt, mit Fördermitteln und Unterstützung der Firma den Pkw-Führerschein zu machen, damals aus. „Ich war noch nicht bereit, habe mich überfordert gefühlt.“ Mit dem Erfolg im Job steigt auch sein Selbstvertrauen und die Selbstzweifel weichen. „Ich habe solche Freude hier zu arbeiten. Ich komme gerne her und gehe ungern weg.“

Den finalen Anstoß, den Führerschein doch zu machen und sich seinen Traum vom eigenen Audi zu erfüllen, gab dann ein Familienmitglied, das mit einem Arm den Führerschein gemacht hat. „Wenn er das mit nur einem Arm kann, kann ich das auch“, sagte sich Frank Tenhündfeld und fing an zu sparen. „Ich habe bei Janus nun mehr verdient, musste aber trotzdem alles zur Seite legen, was ging. Wenn ich Geld zum Geburtstag bekommen habe, habe ich es gespart.“

Als er das Geld zusammen hat, meldet er sich bei einer Fahrschule in Epe an, die auch Menschen mit Beeinträchtigung unterrichtet. „Denn ich habe eine Lernschwäche und lerne langsamer als andere.“ Für die theoretische Prüfung erhält der heute 27-Jährige Audio- Unterstützung, sprich die Fragen und Antworten werden vorgelesen. „Bei der ersten Prüfung habe ich versucht, alles alleine zu lesen. Da bin ich dann leider durchgefallen“, erinnert er sich. Doch mit der Lese-Unterstützung klappt es. Im Dezember 2022 erhält er nach bestandener Praxis seinen Führerschein.

Auto ermöglicht Spontanität

Jetzt fehlt noch der Audi, den er zusammen mit seinem Schwager kauft. „Mein Schwager hat Ahnung von Autos und den Preis noch ordentlich heruntergehandelt“, berichtet Frank Tenhündfeld stolz. Ein paar Macken habe der Wagen, aber das störe ihn nicht, schließlich ermögliche er ihm so vieles. „Ich bin Fan von Wolfsburg. Mit dem Zug war ich schon im Stadion. Mit meinem Chef übrigens auch. Der ist Borussia-Mönchengladbach- Fan und wir waren zusammen beim Spiel Gladbach gegen Wolfsburg. Mit dem Auto habe ich mir jetzt vorgenommen auch die anderen Stadien kennenzulernen.“ Das ginge aber doch auch mit dem Zug. „Aber da bin ich ja auf die Bahn angewiesen. So kann ich das alleine machen. Oder Freunde besuchen.“ Frank Tenhündfeld ist nämlich nicht nur Fußball-Fan, sondern auch Gamer und spielt online mit anderen. Einen Freund in Dorsten habe er schon spontan überrascht: „Da bin ich einfach mit dem Auto hin. Der wusste nicht, dass ich den Führerschein habe und hat ganz schön geguckt, als ich vor seiner Tür stand, dann hat er sich aber gefreut.“